Bücher, Netzwelt und Stimmen in meinem Kopf

Beiträge mit Schlagwort ‘fantasy’

Vorschau: Bücher im Frühjahr 2017

Seid ihr gut ins neue Jahr reingerutscht? Ich freue mich auf 2017 und ich freue mich auch auf die neuen Bücher. Die Vorschauen für das Frühjahr sind gefüllt mit tollen Neuerscheinungen und ich habe eine kleine Wunschliste zusammengestellt.

 

Zsusza Bánk hat mich 2011 mit ihrem Roman „Die hellen Tage“ begeistert. Ende Februar 2017 erscheint ihr neues Buch „Schlafen werden wir später“ im Fischer Verlag.

Im Rowohlt Verlag erscheint im März 2017 mit „Illegal“ ein Roman über einen Einwanderer aus Ghana und seinen Alltag in Berlin. Autor Max Annas kenne ich bisher noch nicht, aber ich bin neugierig darauf, wie er die Geschichte erzählt.

„Sechzehn Wörter“ von Nava Ebrahimi steht ebenfalls auf meiner Liste. Der Roman wird im März 2017 veröffentlicht und handelt von einer iranischen Familie. Nachdem ich 2016 mit „Nachts ist es leise in Teheran“ von Shida Bazyar einen beeindruckenden Einstieg in das Thema hatte, bin ich schon sehr gespannt auf das Buch aus dem btb Verlag.

 

2016 bin ich der Sci-Fi Reihe „Themis Files“ von Sylvain Neuvel verfallen. Im April 2017 geht es mit dem zweiten Band „Waking Gods“ weiter und ich kann es kaum erwarten. Die englischen Ausgaben sehen nicht nur hammermäßig aus, sondern liefern eine großartige Geschichte. Ich will wissen, wie es weitergeht!

„Schwarzer Sturm“ von Ivo Pala ist ebenfalls die Fortsetzung einer Reihe, die ich 2016 angefangen habe. Die knallharte Fantasy-Story handelt von einer Welt in völliger Dunkelheit. Der Autor geht nicht zimperlich mit seinen Figuren um und bietet dem Leser rasante Action, die Spaß macht. Ich freue mich schon, wenn die Fortsetzung im Mäz 2017 kommt – dann wird es auch eine Rezension auf meinem Blog geben!

Keine Neuerscheinung, aber endlich ein Must-Read für mich: „Kernstaub“ von Marie Graßhoff ist bereits 2016 als Taschenbuch im kleinen aber feinen Drachenmond Verlag erschienen. 2017 werde ich es endlich zu Ende lesen.

 

Rezension: Immer wieder Neil Gaiman

Immer wenn ich Bücher von englischsprachigen Autoren in der Hand halte, stehe ich vor der gleichen Frage: Will ich die Übersetzung oder das Original lesen? Ein paar Jahre lang habe ich Romane englischer Autoren, die mir auf Deutsch gefallen haben, einfach nochmal auf Englisch gelesen. Das war interessant, wirklich einmal die Qualität von Übersetzungen zu vergleichen, aber wirtschaftlich äußerst strapaziös.
Und dann kam Neil Gaiman. Wenn ich ein Buch von ihm kaufe, bringe ich es nicht übers Herz es auf Deutsch zu lesen. Ich kann zwar die Übersetzungen nicht beurteilen, dafür aber die unmittelbare Qualität seiner Werke in Originalsprache – und bin jedes Mal verzaubert.

Die „Sandman“-Comics von Neil Gaiman waren meine Einstiegsdroge. In der zehnbändigen Comicbuch-Reihe erzählt Gaiman von sieben mächtigen Wesen, die älter sind als die Zeit. Die zentrale Figur ist Morpheus – der Sandmann, der Schlaf, der Herrscher des Traumreiches. Er hat viele Namen, viele Gestalten und ist keines Falls das moralisch erhabene Wesen, für das man so eine gottähnliche Erscheinung halten mag. Bisweilen experimentiert Dream mit dem Schicksal der Menschen, ist rachsüchtig und grausam, ein anderes Mal sucht er das Gleichgewicht, ist gnädig und weise. Gaiman verwebt mythologische Einflüsse mit dramatischen Ereignissen im abgründig schmutzig-kalten Setting der ausgehenden 80er Jahre amerikanischer Großstädte. Der düstere und explizite Zeichenstil der unterschiedlichen Künstler verbindet sich mit Gaimans kompakter und vielseitig inspirierter Erzählweise zu einem Meisterwerk, das sich auf Englisch unbedingt lohnt. Manche Dialekte in der wörtlichen Rede, viele Wortschöpfungen des Autors und Namen lassen sich nur schwer ins Deutsche übertragen. Die Comics sind auch optisch ein Meisterwerk – die Zeichner Dave McKean, Sam Kieth, Mike Dringenberg, Malcolm Jones III, Kelley Jones und weitere,  haben Gaimans Geschichten brillant in Szene gesetzt und vollenden die mystische Stimmung. Für mich sind die „Sandman“ Comics absolute Pflichtlektüre für alle, die Comics lieben. Natürlich in Originalsprache!

IMG_20150913_115325

Düster, magisch und abgründig ist auch Gaimans Roman „Der Ozean am Ende der Straße“. Das Buch wurde im Original 2013 veröffentlicht. Hier besucht der Protagonist den Ort, in dem er als Kind aufwuchs. Die schwachen Erinnerungen an seine Kindheit kommen nach und nach zu ihm zurück, als er das abgelegenen Haus außerhalb des Dorfes besucht, in dem seine Spielgefährtin Lettie Hempstock wohnte. Auf dem Hof des Hauses gibt es einen kleinen Teich, der in den Augen Letties immer ein Ozean war und eine große Bedeutung im Roman bekommt. Je weiter sich der Hauptheld in die Vergangenheit begiebt, desto mehr Erinnerungen drängen an die Oberfläche. Dabei steigert Gaiman die kindlich-magischen Erlebnisse zu einem bedrohlichen Abenteuer, das den Leser und die Hauptperson an den Rand seiner Fantasie bringt. Aus einer unschuldigen Kindheitsgeschichte wird eine dramatische Tragödie von dunkler Schönheit, in der es vor allem um Mut, Liebe, Schuld und Verantwortung geht. Dieses Buch würde ich mir am liebsten von Gaiman selbst vorlesen lassen, auf einer Bank an einem tiefen See. „Der Ozean am Ende der Straße“ ist ein kleines Buch, das sich durch seine Sogwirkung schnell liest. Doch wie bei dem kleinen Teich in der Geschichte, entwickelt sich Gaimans Buch zu einem Ozean – voll schöner englischer Wörter.

In den Kurzgeschichten und Erzählungen in „Trigger Warning – Short Ficition and Disturbances“ feuert Neil Gaiman ein wahres Feuerwerk von Sprachwitz, Beobachtungsgabe und Fantasie ab. Bereits das Vorwort bereitet Lesefreude und eröffnet nachfolgend einen wahren Schatz an vielseitiger Prosa. Der eigenwillige Titel des 2015 erschienenen Buchs entstammt einer Diskussion über „Trigger“ Warnungen im akademischen Bereich. Es sind Inhaltswarnungen, die traumatisierte Menschen warnen, dass in einem Text Themen oder Szenen beschrieben werden, die das Trauma wieder wachrufen können. Kritiker dieser „Trigger Warnings“ sprechen von einer Art Zensur, die eine unvoreingenommene Rezeption eines Textes verhindern kann. Neil Gaiman schreibt im Vorwort seines Buches:

„There are things in this book, as in life, that might upset you“

Gaiman „warnt“ dabei vor Grausamkeiten, Schmerz, Missbrauch und anderen schlimmen Dingen. Gleichzeitig stellt er aber auch Happy Ends und schöne Ereignisse in Aussicht – und er hält sein Versprechen: Sein Buch „Trigger Warnings“ enthält eine wunderbare Palette von Erzählungen unterschiedlicher Länge und Intensität.

Diese drei Werke von Neil Gaiman – Comics, Roman und Erzählungen – gehören zu meinen Lieblingsbüchern. Ich kann nur empfehlen, diesen charmanten Briten einmal in Original-Sprache zu lesen. Gaiman erschafft und zerstört mit wenigen Wörtern ganze Welten, während mich die Atmosphäre seiner Geschichten immer wieder fasziniert und fesselt. Und dieses Vergnügen sollte man sich ruhig auf Englisch zutrauen.

Rezension: Die Elbenthal-Saga

Eins vorweg: Ich bin ein sehr seltener Fantasy-Leser. Im Alter zwischen 14 und 18 habe ich eine Zeit lang ausschließlich in fremden Welten gelesen, doch dann hatte ich plötzlich die Nase voll von den ganzen Trilo-, Quadro-, und sonstigen -logien. Magische Wesen kreuzten seitdem nur noch in ausgewählten Fällen meinen Weg. Nachdem mich aber Patrick Rothfuss‘ „Der Name des Windes“ schier weggepustet hatte, habe ich mich mit dem Genre wieder versöhnt.

Jetzt habe ich in einem Rutsch die „Elbenthal-Saga“ hinter mir und bin wieder beeindruckt. Ivo Pala zeigt sich hier als hervorragender Handwerker und füllt die starren Schablonen der Genres – Ein/e Auserwählte/r, die Queste, Gut-gegen-Böse, die Liebe wider jeglicher Vernunft und blutige Schlachten- mit unkonventionellen Elementen, Wortwitz und tief recherchierten Verbindungen zur deutschen Mythologie. Wenn man alle drei Bände hintereinander liest, kann der Leser nicht nur den vollen Spannungsbogen auskosten, sondern auch eine ganz andere Beobachtung machen: Während der erste Band eher als Urban-Fantasy beginnt, führt Pala seine Leser kapitelweise immer tiefer in die fremden Welten, bis man sich auf einmal in epischen Schlachten klassischer High-Fantasy wiederfindet. Während der Schauplatz anfänglich noch vermehrt in Dresden liegt, wo die Elben ihre Stellung mit Handfeuerwaffen, Hubschraubern und modernster Technik verteidigen, verlegt Pala die Handlung immer weiter in eine andere Welt voller mächtiger Zauber und Artefakte. Wie auch die anfangs völlig ahnungslose Hauptheldin Svenya setzt sich für den Leser erst nach und nach das Gesamtbild einer facettenreichen und umfangreichen Fantasiewelt mit Jahrtausende alter Geschichte zusammen.

Die Elbenthal-Saga

Band 1 „Die Hüterin Midgards“ – Band 2 „Der schwarze Prinz“ – Band 3 „Die eisige Göttin“

Die Elbenthal-Saga von Ivo Pala dreht sich um das Schicksal der jungen Svenya aus Dresden, die in der Nacht ihres 17. Geburtstages von einer ganz neuen Welt erfährt. Die elternlose Svenya ist aus dem Heim ausgerissen und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs in Dresden durch. Nach einer folgenschweren Nacht, in der sie zuerst in die Fänge des düsteren Prinzen der Dunkelelben Laurin gerät und gleich darauf von den Lichtelben Hagen und Raik befreit wird, wacht sie in Elbenthal auf – einem geheimen alten Reich unterhalb Dresdens. Dort erfährt sie: Svenya ist ein Schicksal als „Hüterin Midgards“ vorbestimmt. Durch einen Fluch ist es ihr verwehrt, sich weder an ihre wahre Identität zu erinnern, noch fragen zu dürfen, wer sie ist und woher sie kommt. Alles was sie erfährt: Sie ist die Anführerin der Lichtelben, die die Menschen im Verborgenen seit Jahrhunderten vor der Bedrohung aus anderen Welten bewahren.

Die Reihe

Im ersten Band „Die Hüterin Midgards“ wird Svenya ihr Schicksal enthüllt, das sie nur widerstrebend annimmt. Sie wird hart trainiert, doch ihr fällt es schwer, sich in ihre bedeutungsvolle Rolle einzufügen. Als sie versucht zu fliehen, gerät sie in die Hände von Laurin, der sie benutzen will, um ein Tor in seine Heimatwelt zu erschaffen und mit Verstärkung die Lichtelben und die Menschenwelt zu unterwefen.

In Band zwei „Der schwarze Prinz“ erhält die Geschichte, die bis hier mit rasanten Verfolgungsjagden und erbitterten Zweikämpfen gespickt ist, mehr Futter. Hier erfährt die Hauptheldin und der Leser mehr über die Geschichte der Elben, die sich stellenweise mit der germanischen Götterwelt und den Nibelungen kreuzt. Svenya muss verhindern, dass mit der Macht legendärer Schwerter ein neues Portal geöffnet wird und es kommt zu einer großen Schlacht. Das Ende hält einen fiesen Cliffhanger bereit.

Band drei „Die eisige Göttin“ ist das kämpferische Finale der Reihe. Hier rollen Köpfe, fließt Blut, aber auch die einzelnen Handlungsstränge werden wieder zusammengeführt. Die Hintergrundgeschichte wird noch einmal spannend und Geheimnisse werden aufgedeckt.

Pluspunkte

  • Die Verbindung zur nordischen Götterwelt und deutschen Mythologie fügt sich sehr gut ein und gibt dem ganzen mehr Tiefe. Der Autor hat hier intensive Recherchearbeit investiert und auch eine eigene elbische Sprache entwickelt.
  • Auch wenn mir die Hauptheldin anfänglich wenig sympathisch war, musste ich ihr von Anfang an eine starke moralische Integrität zugestehen. In der ganzen Reihe wird viel gekämpft und getötet, doch Svenya widerspricht jeglicher unnötiger Gewalt. Selbst ihren ärgsten Feinden gewährt sie Gnade und verabscheut jegliche Art von Mord, während ihre Mitstreiter aus Rache töten, oder diesen mit der Vergeltung schlechter Taten rechtfertigen.
  • Die Kampfszenen sind hervorragend durchchoreografiert. Beim Lesen läuft ein wahrer Actionfilm im Kopf ab und auch die strategischen Schachzüge der großen Schlachten dürften Liebhaber ausgefeilter Kampfkunst begeistern.

Wermutstropfen

  •  Die Andeutungen von Missbrauch im Heim im ersten Band der Reihe: Es ist zwar ein wichtiges Thema und einer der wenigen Anhaltspunkte, die der Hauptheldin einen Hauch von Vorgeschichte verleihen, trotzdem hat es sich für mich beim Lesen nicht optimal eingefügt, weil sich hier eine zu große und schwierige Thematik auftut.

Mein Fazit

Es lohnt sich! Der Leser darf sich über eine sorgfältig ausgestaltete Fantasy-Welt und eine Geschichte freuen, die sich steigert. Ivo Pala glänzt als überzeugender Erzähler mit viel Ideenreichtum, liebevollen Details und Sinn für Humor. Die wechselvolle Geschichte treibt regelmäßig den Puls hoch und macht Spaß.